Geoenergie & Nutzung
Die Bezeichnungen Geothermie und Erdwärme beziehen sich sowohl auf die unterhalb der Erdoberfläche natürlich und technisch gespeicherte thermische Energie als auch auf deren Erforschung und Nutzung. Die thermische Energie lässt sich zum Heizen und Kühlen sowie zur Erzeugung von elektrischem Strom einsetzen. Aktive Wärmespeicherung erlaubt den Ausgleich von saisonalen Schwankungen des Bedarfs. Wärmenutzung und Stromerzeugung lassen sich auch in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kombinieren.
Geothermische Energie steht unabhängig von Jahres- und Tageszeiten zur Verfügung und eignet sich daher im Unterschied zu vielen anderen erneuerbaren Energien dazu, Grundlastanlagen zu betreiben. Geothermie gilt als erneuerbar, da aufgrund der Temperaturverhältnisse und der Transportprozesse Wärme in das Reservoir im Untergrund nachfließt.
Oberflächennahe Erdwärmesonden und Grundwassernutzung machen Geothermie für Wohngebäude oder einzelne industrielle Anlagen nutzbar. Das Projekt GECKO bezieht sich auf die Nutzung der Erdwärme aus dem tiefen Untergrund und somit auf die Versorgung größerer Einheiten, wie Kommunen, Stadteile und Gewerbegebiete.
In Deutschland umfasst die Tiefengeothermie folgende Nutzungssysteme:
- Hydrothermale Systeme
- Verbesserte geothermale Systeme (Enhanced Geothermal Systems – EGS)
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Tiefe Erdwärmesonden
Die geothermischen Ressourcen in Deutschland sind auf folgende Regionen verteilt:
- Molassebecken des Voralpenlands
- Oberrheingraben
- Norddeutsches Becken
Beispiel Oberrheingraben - Geologischer Aufbau
Beim Oberrheingraben in seiner heutigen Ausdehnung von Basel im Süden bis nach Frankfurt am Main im Norden und in seiner heutigen Ausprägung handelt es sich um einen tektonischen Graben. Die bis zum Jura (endete vor rund 145 Millionen Jahren) vorherrschende Schichtenfolge wurde seit dem Paläogen (begann vor rund 66 Millionen Jahren) aufgebrochen. Entlang der Bruchlinien (tektonische Störungen) senkten sich die Sedimentschichten sukzessive um teilweise mehrere Tausend Meter ab. Gleichzeitig hoben sich die Randbereiche der Vogesen und des Schwarzwalds. Der so entstehende Graben füllte sich wiederum mit neuen Ablagerungen unterschiedlichen Ursprungs. Heute finden aufgrund des Drucks von Süden an den damals angelegten Störungen oft Seitenschiebungen statt.
Geothermie im tiefen Untergrund am KIT-Campus Nord
Der Untergrund des Campus Nord weist neben den günstigen thermischen Bedingungen auch fluidführende Einheiten in verschiedenen Tiefenbereichen auf:
- Die Schichten des alten Erdölfelds Leopoldshafen haben nachweislich gute Speichereigenschaften.
- Die Temperaturanomalie deutet auf natürliche Fluidzirkulation im tiefen Untergrund hin.
Somit erlaubt der Untergrund die Entwicklung eines
- Wärmespeichers in den wasserführenden Randbereichen des alten Erdölfeldes und einer
- Thermalwassergewinnung aus den Bereichen in denen natürliche Zirkulation (konvektiver Wärmetransport) vorherrscht.
Der Betrieb in diesen Systemen erfolgt üblicherweise über mindestens zwei Bohrungen. Eine solche geothermische Dublette besteht aus einer Produktionsbohrung und einer Injektionsbohrung. Mithilfe der Produktionsbohrung wird das Thermalwasser aus dem Untergrund nach oben geholt. Nach der Abkühlung in der oberirdischen Anlage wird das Wasser durch die Injektionsbohrung in das Reservoir in der Tiefe zurückgeführt. Zusätzlich lässt sich in einem Wärmespeicher im Sommer Überschusswärme einlagern.
Das KIT exploriert seit April 2019 zu beiden Möglichkeiten den tiefen Untergrund im Rahmen einer gemeinsamen Aufsuchungserlaubnis für Erdwärme und Sole mit der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Während die Erstellung eines Hochtemperaturwärmespeichers heute noch ein rein wissenschaftliches Projekt darstellt, gibt es für die Thermalwassergewinnung bereits eine Reihe von erfolgreichen Beispielen auch im Oberrheingraben. Die Genehmigung des Geothermieprojekts oder einer Bohrung sind in der Aufsuchungserlaubnis noch nicht enthalten.
Nutzungsbeispiele
Die im Folgenden beschriebenen Projekte zur Nutzung der tiefen Geothermie sind geologisch und technisch vergleichbar mit der geplanten Infrastruktur am KIT Campus Nord. Sie zeigen, dass es Tiefengeothermieprojekte im Oberrheingraben bereits seit Jahrzehnten gibt.
In Riehen (Schweiz) trägt eine hydrothermale Dublette des Betreibers Wärmeverbund Riehen AG seit 1994 zur Wärmeversorgung von Teilen der Stadt und seit 1997 grenzübergreifend zur Wärmeversorgung der Gemeinde Stetten in Deutschland bei. Eine Bohrung mit einer Tiefe von 1 547 Metern liefert Thermalwasser mit einer Temperatur von ca. 65 Grad Celsius. Bei moderaten Fließraten bis zu 25 Litern pro Sekunde wird das Wasser mit einer Temperatur von ca. 25 Grad Celsius in die zweite Bohrung in einer Tiefe von 1 247 Metern zurück in den Untergrund injiziert. Oberirdisch stellt ein Geothermie-Wärmetauscher 1 550 Kilowatt thermische Energie bereit, die dem Thermalwasser entzogen wird. Mittlerweile beziehen rund 8 500 Einwohner daraus Fernwärme, die in einem Fernwärmenetz von über 37 Kilometern Länge transportiert wird.
Die Gemeinde Riehen hält 73 Prozent der Aktien der Wärmeverbund Riehen AG. Derzeit plant sie unter dem Projektnamen „geo2riehen“ eine zweite Tiefenbohrung, die 2025 in Betrieb gehen soll. Weitere 4 000 Einwohner werden dann daraus Wärme beziehen. Transparente Kommunikation und Partizipation der Bevölkerung von Riehen sind erklärte Ziele der Projektbetreiber. So liefert das Format „geo2dialog“, organisiert und moderiert von der neutralen Stiftung Risiko-Dialog, regelmäßige ausführliche Informationen über die einzelnen Projektetappen. Die Betreiber nehmen auch Anliegen und Rückmeldungen aus der Bevölkerung auf und berücksichtigen sie, wenn möglich, im weiteren Projektverlauf.
In Bruchsal trägt Tiefengeothermie schon seit einigen Jahren zur Wärme- und Stromversorgung der Stadt bei. Das seit 2005 von der EnBW Energie Baden-Württemberg AG besteht aus einer hydrothermalen Dublette (i) mit Bohrtiefen von ca. 2 500 Metern für die Förderbohrung und ca. 1 900 Metern für die Injektionsbohrung. Bei einer Produktionsrate von 24 Litern pro Sekunde wird das 120 Grad Celsius heiße Thermalwasser zutage gefördert. Der thermische Kraftwerksprozess versorgt die Umgebung über ein Nahwärmenetzmit 5,5 Megawatt Wärme. Ergänzend zur Wärme wird aus dem gewonnen Thermalwasser Strom mit einer Leistung von 550 Kilowatt erzeugt.
Bruchsal grenzt im Osten an das Erlaubnisfeld KIT-Campus Nord an und ist nur rund zehn Kilometer vom KIT Campus Nord entfernt. Die Planungen für den KIT Campus Nord können daher von den wichtigen Erfahrungen aus Bruchsal profitieren.